Test Chevrolet Corvette C8 (2020): Gemischte Gefühle (2024)

Ah endlich, die Corvette mit dem Motor hinter den Sitzen!

Was ist überhaupt so toll daran, einen Motor in der Mitte zu haben? Die Corvette mit Frontmotor ist immerhin seit 65 Jahren erfolgreich. Aber wo sich die siebte Generation der Corvette anfühlte wie der letzte Outlaw, wie eine seltsame Verirrung unter den Horden an Mittelmotor-Superstars, wirkt die neue Corvette C8 endlich wie ein richtiger Supersportler. Man kann sie nun - quasi ohne zu zögern - in einem Atemzug mit den Rivalen von McLaren und Ferrari erwähnen. Auch wenn die C8 - das muss man schon so sagen - mit einer deutlichen Lernkurve auf uns zukommt.

Jawohl, endlich konnten wir die heiß ersehnte neue Corvette ausprobieren. Auf den Straßen um Las Vegas und auf dem Spring Valley Raceway etwa eine Stunde nördlich des Strip. Spoileralarm: Dieser eher kleine Vorgeschmack auf die Fähigkeiten der weltweit ersten Mittelmotor-Vette hat bei uns ziemlich gemischte Gefühle hinterlassen.

Das ist die neue Corvette

Liegt's am Design?

Nun, das ist wie immer Geschmackssache. Die Optik hat uns anfangs nicht unbedingt vom Hocker gehauen, aber der Testwagen im neuen 2020er-Farbton Zeus Bronze Metallic mit passenden 19-Zöllern macht in Fleisch und Blut mehr her.

Das so kontrovers diskutierte Interieur macht einen guten Eindruck. Wäre da nicht das Corvette-Logo auf dem Lenkrad, man könnte die C8 mit ihrem gesunden Mix aus Nappaleder, Alcantara und Carbon glatt für etwas halten, das mindestens das Doppelte kostet und aus England oder Deutschland kommt. Qualitativ ist das der beste Corvette-Innenraum aller Zeiten, vermutlich sogar der beste Chevrolet-Innenraum.

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Zum 8,0-Zoll-Touchscreen auf der Mittelkonsole gesellt sich ein konfigurierbares 12-Zoll-Digital-Instrumentendisplay hinterm Lenkrad. Beide wirken hochwertiger als alles, was Sie bisher von Chevy kennen dürften. Abhängig davon, ob Sie sich für die 1LT-, 2LT- oder 3LT-Ausstattung entscheiden, kriegen Sie einen GT1-Sportsitz, einen GT2-Sportsitz oder einen heftig aufgepolsterten Competition-Schalensitz. Wir würden einen der erstgenannten empfehlen - sie bieten beide sehr gute Unterstützung, sind aber dennoch bequem. Der Competition-Stuhl hingegen dürfte bei jedem Körpermaß ein ziemlicher Schraubstock sein.

Apropos: Eine gewisse Enge ist wirklich das einzige Problem des neuen Corvette-Interieurs. DasEin- und Aussteigen gestalten sich schwierig, und wenn man erst einmal drin ist, bilden die sperrige Mittelkonsole und der angrenzende Bügel für die Klimasteuerung eine harte Barriere zwischen Fahrer und Beifahrer. Und ja, diese "Klimatisierungsbrücke" ist wirklich extrem schräg und klobig. Für ein so großes Auto fühlt sich die Kabine unnatürlich eng an.

Die Rundumsicht ist ebenfalls ausbaufähig. Immerhin gibt es in den 2LT- und 3LT-Ausstattungen eine Rückspiegel-Kamera, die uns als absolutes Muss erscheint.

Und wie fährt die neue Corvette?

Haben Sie sich erstmal in den Fahrgastraum geschält, werden Sie vom Fahrkomfort der C8 mit Sicherheit verblüfft sein. Das Ganze stellt schon einen Paradigmenwechsel für Chevrolet dar. Das optionale, weiter optimierte Magnetic Ride Fahrwerk, das von Chevy als "Version 4.0" bezeichnet wird, profitiert von einer Vielzahl neuer technischer Komponenten (wie neuer Beschleunigungs- und Trägheitssensoren), die zu einer deutlich verbesserten Fahrqualität beitragen. Aber selbst ohne das schlaue Aufpreis-Fahrwerk rollt die C8 ziemlich seidig ab; sportliche Tourer wie der McLaren GT und der Aston Martin DBS haben definitiv einen neuen amerikanischen Rivalen.

Bildergalerie: Chevrolet Corvette Stingray 2020 im ersten Fahrbericht

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Der Innenraum der C8 ist so gut isoliert, dass (ob Sie das gut finden oder nicht) die Klangentwicklung des 6,2-Liter-V8 kaum noch durch dringt, selbst im Sportmodus. Erst wenn Sie das Auto richtig pushen, flutet die raue Note des großen 500-PS-Saugers das co*ckpit wie erwartet. Fürs allgemeine Wohlgefühl hat das jedoch nur geringe Folgen. Auf den kurvenreichen Bergstraßen des Valley of Fire State Park in der Nähe von Las Vegas gibt die Vette mit ihrem Komfort-Feinschliff, dem hochwertigen co*ckpit und dem kraftvollen Antriebsstrang einen phänomenalen Gran Turismo.

Wenn, dann fühlt sich die C8 fast zu entspannt an. Auf der Straße könnte sie eine Extra-Portion Persönlichkeit vertragen. Die neue Corvette macht alles extrem gut - sie ist schnell, komfortabel und weitgehend leise - aber sie fühlt sich abseits der Rennstrecke nicht wirklich besonders an. Ich würde sogar behaupten, dass es mehr Spaß gebracht hätte, die gleiche Straße in einer akkurat ausgestatteten C7 rauf zu brettern.

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Ist es auf der Strecke besser?

Nun, die Chevy-Offiziellen und Profi-Fahrer wurden nicht müde, zu erwähnen, dass es die Rennstrecke ist, wo die C8 am meisten glänzt. Sie haben in weiten Teilen Recht.Auf dem Spring Mountain Raceway verwandelt sich die C8 vom Tourer in einen echten Athleten. Einen alles dominierenden Champion sollten Sie allerdings nicht erwarten.

Unbestrittenerweise ist die C8 wirklich schnell. Treten Sie die Bremse, tätowieren Sie das Gas und die Launch Control bringt Sie in 2,9 Sekunden auf 60 Meilen pro Stunde. Die Tremec 8-Gang-Doppelkupplung kann das Tempo absolut mitgehen. Rein in die erste schnelle Kurve und die Vette überzeugt mit ansatzlosen Reaktionen und einer schnellen Lenkung. Durch die 40/60-Gewichtsverteilung (im Gegensatz zu der bei anderen Mittelmotorfahrzeugen üblichen 50/50-Verteilung) und den näher an der Vorderachse positionierten Fahrersitz bewegt sich das Auto mühelos und dreht sich wie ein gut ausbalancierter Kreisel.

"Die C8 verwandelt sich auf der Strecke vom Tourer in einen echten Athleten. Einen alles dominierenden Champion sollten Sie allerdings nicht erwarten."

Und weil der Motor jetzt hinter dem Fahrer sitzt und Sie keine sieben Meter Motorhaube mehr vor sich haben, profitiert die Sicht nach vorne spürbar. Es ist deutlich besser als in der C7.

Die Umpositionierung des Aggregats bringt in Teilen aber auch Widrigkeiten mit sich. Beim Bremsen etwa. Die C8 produziert mit ihren großen Brembo-Stoppern tatsächlich einen längeren Bremsweg als die entsprechende C7, wie Chevy zugibt. Und wegen des zusätzlichen Gewichts hinter dem Fahrer fühlt sich die Vette bei starkem Bremsen unruhiger an, wackelt schon mal ein bisschen heftiger mit dem Hintern.

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Grip ist auch dank der Michelin-Pilot-4S-Reifen (245 vorne/305 hinten) in ordentlichem Maße vorhanden, allerdings dürfte ein Auto, dass sich mit Perfektionisten wie einem Porsche 911 oder einem Audi R8 vergleichen will, durchaus ein wenig mehr Körperkontrolle und etwas weniger Wankneigung aufweisen. Bei den leistungsstärkeren Performance-Varianten, die noch folgen werden, ist hier also durchaus noch ein wenig Luft nach oben.

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Ziemlich viel Gejammere ...

So soll es definitiv nicht rüberkommen. Dies könnte technisch gesehen die beste Corvette aller Zeiten sein. Aber während unserer relativ kurzen Zeit mit der C8 konnten wir noch nicht genug über das Auto herausfinden. Die C8 bietet einen Fahrkomfort und eine Qualitätsanmutung, die definitiv mit teureren Alternativen konkurrieren können. Gleichzeitig gibt es Raum für Verbesserungen.

Im Großen und Ganzen fühlt sich die C8 Corvette an, wie eine notwendige Weiterentwicklung für ein Typenschild, das in vielerlei Hinsicht am Rande seiner Möglichkeiten war. Was uns an der neuen Corvette am meisten beeindruckt, ist ihr Preis: Dieses Auto startet bei 59.995 Dollar. Selbst der Preis unseres hervorragend ausgestatteten Testwagens von etwas mehr als 79.000 Dollar ist im Vergleich zu den meisten anderen Modellen dieser Liga ein schwer zu fassendes Schnäppchen.

Es gibt wirklich viel, was man an der neuen Corvette C8 lieben kann, auch wenn sie die fast unübertreffbaren Erwartungen zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht ganz erfüllt. Aber wie Sie wissen, ist das erst der Anfang. Wir können es kaum erwarten, zu sehen, wie viel besser dieses Auto mit der Zeit wird.

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